Samstag, 12. März 2011

7. Shanghai-Dalian

Mittwoch, 23. Februar 2011 (48. Tag) Shanghai
Der Agent hat angeblich nur ein Taxi verfügbar, also sollen wir warten bis es zurück ist und dann die zweite Fuhre machen kann. Die einfache Fahrt dauert aber mindestens eine Stunde. Käpt’n meint „alles Mafia“. Also lassen sich Jürgen + Christel bis zum Gate bringen und fahren auf eigene Faust in die Stadt. Wir anderen drei nehmen das Taxi des Agenten und sind nach gut einer Stunde auch im Zentrum. Auf der Suche nach einem Internet-Cafe landen wir in einem Luxus-Hotel. Zwei PCs stehen uns dort zur Verfügung. Die Verbindung ist allerdings grausam langsam und meinen Blog kann ich nicht aufrufen. Einige Seiten werden wohl irgendwo geblockt ;-) ein Schelm wer Böses dabei denkt. Die PDF-Dateien an Markus gehen nach ewiger Wartezeit endlich raus. Die Blog-Leser müssen leider noch warten.

Jetzt aber zu Shanghai. Mir gehen langsam die Superlative aus. Armut und Reichtum so krass und unmittelbar nebeneinander, kaum zu begreifen. Unglaublich was man da zu sehen bekommt. Menschen die unter primitivsten Bedingungen in dieser Millionenstadt wohnen und gleich nebenan der totale Reichtum. Diese Menge an dicken Autos und die riesige Skyline hätte ich in China nicht unbedingt erwartet. Auf unserem Weg durch die Altstadt denken wir so manches Mal, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Wäsche hängt zum Trocknen in den Gassen. Das Leben spielt sich auf der Straße ab. Hier werden Schuhe repariert, Zähne gezogen, Hemden genäht und Haare geschnitten. Die Preise sind unglaublich niedrig. Ein Paar Schuhe oder Stiefel schon ab umgerechnet 1,50€, eine Flasche Mineralwasser für zehn(!) Cent. Das Essen bei den
zahlreichen kleinen Straßenhändlern, kostet nur wenige Cent. Wir bemerken allerdings auch, dass z.B. beim Metzger das Fleisch einfach so am Boden liegt und mit Tüchern zugedeckt wird. Die sehen zum Teil aus, als wurden sie gestern noch zum Autowaschen benutzt. Wir verzichten, aus Rücksicht auf unsere Gesundheit, auf einen Test der angebotenen Leckereien. Wir gehen gegen Abend lieber an der Flaniermeile, dem BUND, im Dragon-King-Restaurant essen. Allerdings fand ich auch hier in meiner Suppe Hühnerkrallen!!! Bähh!!! Gilt hier als Delikatesse. Sonst alles super lecker und im Vergleich zum alten Teil von Shanghai natürlich auch ganz schön teuer.
Zitat von Jürgen: Die Chinesen essen alles, was den Rücken oben hat – also einfach ALLES!
Nach einem Spaziergang am nächtlichen BUND geht’s dann mit dem Taxi wieder Richtung Heimat. Mit Unterstützung meines Navis (Es lebe die moderne Technik!) fährt der Taxifahrer uns direkt bis ans Schiff. (Immerhin 38 km!) Er darf, gegen eine kleine Gebühr von 1,00€, also doch in den Hafen fahren. Wir nehmen noch einen Schlummer-Drink und hoffen auf einen weiteren Tag in dieser faszinierenden Stadt. Shore-Leave Time für morgen steht noch nicht fest. Gute Nacht!

Donnerstag, 24. Februar 2011 (49. Tag) Shanghai
„Ni Hau“ Guten Morgen. Shanghai erwacht aus dem Nebel. Das hatten wir doch schon mal. Noch ist unklar, ob und wann wir abfahren. Entscheidet sich erst gegen 11.00 Uhr. Also Geduld!
Asien war für mich bisher immer eine etwas suspekte Welt. Unbekannte Kulturen, andere Sprachen, unbekannte Schriften, andere Essgewohnheiten usw. - Chinesen essen normalerweise keine ‚verfaulte Milch‘ (Käse), dafür aber beispielsweise Eier, die monatelang eingegraben waren. Die sehen aus, wie wenn die Küken gerade begonnen haben zu schlüpfen. Eckhard du kannst ja schon mal ein paar Eier von deinen Zwerghühnern einbuddeln. Die können wir dann ja zu deinem Geburtstag zusammen verspeisen :-)
So langsam beginne ich zu verstehen, dass meine Mitreisenden von diesem Erdteil so begeistert sind. Die Menschen sind aber überall unglaublich nett, offen und freundlich. Die Gegensätze sind manchmal allerdings so krass, dass ich damit so meine Probleme habe. So leben hier etwa vier Millionen nahezu rechtlose Wanderarbeiter in der Stadt.
Die Verständigung geht meistens nur mit Zeichensprache oder oft auch gar nicht. Einmal spricht uns auf der Straße eine kleine Frau an, nur um stolz zu demonstrieren, dass sie Englisch gelernt hat. TOLL!
Die Furcht vor Geistern und Gespenstern ist hier weit verbreitet. Brücken und Treppen werden z.B. häufig im Zick Zack gebaut, weil man davon überzeugt ist, dass Geister diese dann nicht überqueren können.
Um 11:30 Uhr kommt die Meldung Shore-Leave 24:00 Uhr. Das Schiff muss noch einmal gedreht werden, damit eine Riesenturbine aus dem Laderaum direkt auf ein Binnenschiff umgeladen werden kann. Für uns bringt das einen weiteren Frühlingstag in Shanghai. Ich vereinbare mit dem „Peanut-SuperCargo“ (So nennt er sich selbst, weil er 2. Stellvertreter des SuperCargo ist) das er uns mit seinem Privat-PKW in das 90km entfernte alte chinesische Dorf Zhouzhuang bringt.
Er hat durch die Verzögerung beim Entladen heute nicht viel zu tun und freut sich über einen kleinen Zusatzverdienst. Uns kann nichts Besseres passieren, weil die Fahrt von/bis Schiff geht und er auch noch gut Englisch spricht.
Das Dorf liegt an einem großen Binnensee und ist mit Kanälen durchzogen. Durch die vielen kleinen Boote, die für Rundfahrten angeboten werden, fühlt man sich fast wie in der asiatischen Version von Venedig. Entsprechend wird die Touristenattraktion vermarktet (Bude an Bude). Alles sehr schön aber trotzdem hat es uns gestern im Echten Chinatown besser gefallen.

Kleine Anekdote am Rande:
Auf der Fahrt nach Zhouzhuang hält unser Fahrer plötzlich mitten auf der Autobahn an und sagt mehrfach „I must check the Load“. Er fummelt an seinem Navigations-Gerät rum und ich denke, um Himmels Willen, der will doch wohl jetzt hier mitten auf der Autobahn nicht aussteigen und den Kofferraum aufmachen? Nur um irgendwas an der Ladung (Load) zu überprüfen? Oder hab ich wieder was falsch verstanden? Will er nur mit der Agentur von Rickmers telefonieren? Weil da vielleicht irgendwas mit der Ladung nicht stimmt?
NEIN – weder noch. Er wollte mir nur mitteilen, dass er in seinem NAVI unsere geplante Fahrstrecke noch einmal überprüfen möchte. Er wollte sagen: „I must check the Road“ (Straße). Chinesen können aber nun mal das ‚R‘ nicht aussprechen. Er ist ja schließlich auch nicht bei Firma Rickmers beschäftigt, sondern bei „Lickmels“ ?
Der Kapitän teilt uns am Abend mit, dass die Abreise für morgen früh geplant ist. Er ist allerdings noch sehr skeptisch. Nach einem so schönen Tag wie heute gibt’s nach seiner Meinung am nächsten Morgen immer viel Nebel. Mit der Folge, dass dann üblicherweise der Fluss gesperrt wird. We’ll see.

Freitag, 25. Februar 2011 (50. Tag) Shanghai - Dalian
Frühstückstisch mit Blumen (Orchideen) geschmückt? Kerzen (6)?
25. Februar? Da war doch noch was? Ach ja, Anke ‘ne SMS schicken, die hat heute Geburtstag ?
Unsere Ladung ist längst gelöscht und wir sind seit Stunden startklar. Der Kapitän hat Recht behalten, dichter Nebel überm Yangtsekiang. Seit 05:00 Uhr warten wir auf den Lotsen. Dafür ist meine Wäsche wieder fertig im Schrank. Na mal sehen ob meine Mitfahrer Lust auf einen „Blindmaker“ haben. Hoppla, das Schiff setzt sich in Bewegung; es geht also doch heute noch los. Mittlerweile ist es 16:45 Uhr. Nach dem Abendessen gebe ich für die Passagiere einen „Empfang“ in der Lounge. Bacardi Gold, Wodka, Dosen-Cola und ein bisschen was zu knabbern. Christel und Jürgen spendieren ihre vorletzte Flasche Sekt aus der Heimat. Wir vier (Helmut geht wie üblich seine eigenen Wege) verbringen einen schönen gemütlichen Abend zusammen.
Danke für die SMS-Glückwünsche aus der Heimat. Danke meinen Mitreisenden für die fröhliche Geburtstagsfeier. Besonderer Dank an meine Musie für das ‚süße‘ Geburtstagsgeschenk!
Gestern noch ‚so um die 50‘ - heute plötzlich um die -> 60 - Rasender Alterungsprozess! „Obe nix utmokt!“

Samstag, 26. Februar 2011 (51. Tag) Shanghai - Dalian
Planverschiebungen machen es möglich. Gestern hat unser Schwesterschiff, die ‚Rickmers Dalian‘, neben uns festgemacht. Wetter fast wie zu Hause, ungemütlich, diesig, kalt und windig. Winter im Chinesischen Meer. Heute lege ich mich nach dem Frühstück noch mal kurz wieder ins Bett. Buch lesen. Upps, schon halb eins, Mittagessen verschlafen. Macht nichts, hab ja noch ein bisschen Schokolade und einen kleinen Rest von der Schweinshaxe, die Jürgen vorgestern mitgebracht hat. Die Kopfschmerzen sind jetzt zum Glück auch weg. Mein Getränkevorrat ist fast auf Null geschrumpft. Der Slopchest macht erst wieder in ca. 10 Tagen auf; wurde vom chinesischen Zoll versiegelt. Was soll’s, Wasser ist ja sowieso viel gesünder.

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