Samstag, 12. März 2011

9.Xingang-Shanghai-2

Donnerstag, 03. März 2011 (56. Tag) Tianjin (Hafen: Xingang)
Wir liegen immer noch auf Reede. Heute Morgen kein warmes Wasser! Der Käpt’n reduziert den Wasserverbrauch offenbar ganz pragmatisch: Die Waschmaschinen außer Betrieb nehmen und Warmwasser einfach abstellen; dann duscht auch niemand mehr. Sieben Dollar/Tonne will er eben nicht bezahlen.
Gegen Mittag machen wir im Hafen Xingang fest. Wieder ein Hafen der Superlative. Der Agent organisiert uns ein Privat-Taxi in die Stadt. Wir vergessen vorher einen Preis zu vereinbaren. Typischer Anfängerfehler der sofort eiskalt ausgenutzt wird. Normalerweise kostet die Fahrt etwa 20 Yuan für knapp 10 km (2,20 €, Rina-Zitat: Datt kosded doch nix!). Unser Privatfahrer nimmt uns aber, ohne mit der Wimper zu zucken, 150 Yuan (rd. 17,00€) ab. Wir trösten uns damit, dass die Fahrt in Deutschland noch teurer wäre und wir den Weg zum Gate nicht laufen mussten. Taxis dürfen hier nicht ins Hafengelände.
Mit der Telefonkarte, die unser Chauffeur mir für 15 US-$ verkauft, kann man offenbar nur in Asien telefonieren. Ich bekomme jedenfalls keine Verbindung nach Hause. Was soll’s, Jose freut sich über das kleine Geschenk, denn nach Manila funktioniert sie und so kann er mal unbeschwert mit seiner Familie telefonieren.
Der Besuch im Internet-Cafe zeigt, dass China diesbezüglich noch ein Entwicklungsland ist. Über hundert Leute sitzen hier in bequemer Umgebung und surfen, bzw. erfreuen sich an ‚Ballerspielen‘. Bis jeder Chinese einen eigenen Computer hat, wird wohl noch ‘ne Weile vergehen. Was ist das noch für ein gigantischer Markt?
Zum Abendessen gehen wir in ein unauffälliges Lokal, dass vorwiegend von Einheimischen besucht wird. Brechend voll und eine lange Warteschlange am Eingang. Wir fühlen uns, als seien wir von einem anderen Stern. Man beobachtet uns aufmerksam, fotografiert uns sehr diskret einige Male und unsere Verständigungsversuche werden immer von fröhlichem Lachen begleitet. Die Kellnerin holt dann zielsicher einen Gast aus dem vollen Restaurant. Eine junge Frau, die Englisch spricht und der es eine sichtbare Freude ist, uns helfen zu können. Wir lassen uns von ihr ein typisches chinesisches Essen zusammenstellen und bekommen nach gut zehn Minuten einen Tisch zugewiesen. Auf einer Art Fondueplatte wird uns ein Riesenfisch serviert, den man uns am Eingang noch im Wasserbecken gezeigt hat. (1,2 kg Lebendgewicht). Da Rina aber keinen Fisch isst, sitze ich nun mit meinen Stäbchen allein davor. Messer, Gabel gibt’s hier natürlich auch wieder nicht. Die Kellnerinnen sind allerdings sehr aufmerksam. Als sie meine Hilflosigkeit sehen, kommt sofort jemand und zerlegt den Fisch mit den Stäbchen in kleine Häppchen. Wie schnell das geht! Ihre Kolleginnen stehen unauffällig an der Seite und kichern. „Köstlich, einfach köstlich“ und welch ein Spaß, die Leute unauffällig zu beobachten, wie sie wiederum uns unauffällig beobachten! ;-)
Wir bezahlen die Rechnung (Trinkgeld wird auch hier strikt abgelehnt) und bekommen zum Abschluss noch ein kleines rotes Tagebuch geschenkt. Mensch, das ist ja genau so eins, wie Christel es schon seit Tagen sucht. (Zufälle gibt‘s?)
Zurück an Bord stelle ich fest, wir haben wieder warmes Wasser. Der Käpt’n hat 150 Tonnen gebunkert. Hier funktioniert ansonsten die Trinkwasseraufbereitung nicht. Das Wasser hat einen sehr hohen Lehmanteil, daher der Name ‚gelbes Meer‘.
Shore-Leave ist für morgen Nachmittag angekündigt. Damit ist der Ausflug nach Peking leider hinfällig. Schade, dann eben beim nächsten Mal!

Freitag, 04. März 2011 (57. Tag) Tianjin (Hafen: Xingang)
Wir fahren nochmal in die Stadt, chinesisches Flair einatmen. Macht einfach einen Riesenspaß! Ich streife einfach so durch die Stadt und genieße! Straßenhändler der unterschiedlichsten Art, Musiker, riesige Markthallen. Unglaubliche Vielfalt an Obst, Gemüse, Fischen und Meeresfrüchte (leider auch viele niedliche Tierbabys). In einem Elektronikladen in einem Regal über 300 (!) verschiedene Handys. Aber Vorsicht, wo Nokia draufsteht ist nicht unbedingt Nokia drin. Die Chinesen sind nun mal Weltmeister im Fälschen von Markenwaren. Auffällig viele Friseurgeschäfte gibt es hier. Die hübschen, sehr grell geschminkten, Mädels gehen aber wohl eher einem anderen ‚Beruf‘ nach.
Zum Mittagessen treffen wir uns wieder. Jürgen hat schon ein Lokal ausgekundschaftet. Hier wird, anstatt einer Speisekarte, jeweils ein fertig angerichtetes Essen unter Folie im Schaufenster ausgestellt. Für uns sehr praktisch: Man sucht sich was aus und erst dann bekommt man einen Tisch zugewiesen. ‚What you get is what you see‘. Man sollte allerdings genau hinsehen! Die vermeintliche Schweinshaxe entpuppt sich am Tisch als Schweine-Schnauze. In den Meeresfrüchtesalat könnte ich ‚mich reinlegen‘ so lecker und (stolze Anmerkung) alles mit Stäbchen gegessen - sogar die Cashews!
Uns fallen so viele Kleinigkeiten auf, die hier anders sind als bei uns. So ist es beispielsweise üblich, die Jacke im Restaurant über den Stuhl zu hängen. Dann kommt der Kellner und zieht, aus hygienischen Gründen, eine Art Sack über Stuhllehne und Jacke.
Andererseits - Entschuldigung für den Ausdruck, aber treffender kann man es kaum beschreiben - rotzen die Chinesen oft und überall hin. Niemand stört sich daran, nur aus unserer Sicht wirklich nicht schön. Es lebe die Hygiene!
Dann geht es ‚pflasterlahm‘ zurück an Bord. Mittagsschlaf bis 16:30 Uhr. In gut drei Stunden soll es losgehen. Aber was sind schon Zeitangaben? Eine Stunde vor Mitternacht verlassen wir den Hafen.

Randnotiz:
Auch hier in Xingang versuchen die Mächtigen der Volksrepublik durch riesige Bauvorhaben (Häfen, Trabantenstädte, Stadtautobahnen, Freizeitzonen etc.) ihre Stärke zu untermauern.
Die wenig erforschte ‚Krankheit‘ GIGANTOMANIE scheint es überall auf der Welt zu geben, natürlich auch hier in China. Der dritte Ming-Kaiser begann beispielsweise im Jahr 1406 mit dem Bau der Verbotenen Stadt in Peking. Zeitweise sollen eine Million Sklaven und mehr als 100.000 Kunsthandwerker daran gebaut haben. Bauzeit nur 14 Jahre! Die Steine kamen aus der Nähe von Peking. Die größte Steinplatte hat eine Fläche von mehr als 50 m² und eine Dicke von mehr als 1,5 Meter. 20.000 Arbeiter transportierten die 250 Tonnen schwere Platte im Winter 50 Kilometer weit über eine eigens dafür angelegte Eisschiene. Dazu brauchten sie 28 Tage. – Na sieh an, ging doch auch ohne Caterpillar!

Samstag, 05. März 2011 (58. Tag) Xingang – Shanghai
Erholung auf See – In Ruhe Stieg Larsson weiterlesen...

Firma Roehrs&Timm auf dem Weg zum Einsatz in Xingang (?)
 Sonntag, 06. März 2011 (59. Tag) Xingang – Shanghai
Die Rickmers Bordzeitung meldet: Arnd Peiffer und Magdalena Neuner jeweils Weltmeister im Sprint. SUPER!!! Herzlichen Glückwunsch von der „Heidschnucke auf See“ und weiterhin viel Erfolg!
‚Slopchest‘ schon fast zwei Wochen zu. Langsam wird’s eng. Konnte den Jungs bisher noch nicht mal einen auf meinen Geburtstag ausgeben. Wodka, Rum und Bier hab ich schon lange nicht mehr. Cola, Limo und Wasser nur noch einen kleinen Rest. Aber solange wir in China sind, keine Chance, das Lager ist und bleibt versiegelt! Noch 4-5 Tage! Oje, das passiert mir auch nicht noch einmal. Rina hat besser eingekauft als wir Anderen. Sie verfügt noch über ein paar eiserne Reserven. Da macht sich die Erfahrung vieler Seereisen bemerkbar. Die beiden Zimmerleute freuen sich jedenfalls über ein Bier, sie selbst haben auch nichts mehr. Sie sind zum Abschied noch mal kurz vorbeigekommen. Nach sechs Monaten verlassen sie das Schiff in Shanghai. Von dort geht’s im Flieger über Hongkong, London nach Bukarest in die Heimat.
Shanghai empfängt uns wieder mit dichtem Nebel. Also 18:15 Uhr wieder vor Anker und WARTEN.

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