Montag, 14. März 2011

11. Ulsan/Korea - Kobe/Japan

Freitag, 11. März 2011 (64. Tag)  Shanghai – Ulsan (Korea)
Seit heute Morgen um 03:00 Uhr liegen wir unmittelbar vor der Stadt auf Reede. Lotse ist für 17:00 Uhr angekündigt. Traumwetter aber lausig kalt. Wird heute also nichts mehr mit Landgang.
Ulsan ist eine Industriestadt. Hier werden täglich rund 5.000 Autos in die ganze Welt exportiert. Leider gibt es mit Vodafone wohl kein Roaming-Abkommen. Jedenfalls bekommen wir hier kein Handynetz. Kein Telefonat! Keine SMS! Mal sehen ob ich irgendwo eine koreanische SIM-Karte kaufen kann. Musie, mein Schatz, ich möchte mal wieder deine Stimme hören!
Die ständigen Temperaturwechsel haben dazu geführt, dass ich mir einen kräftigen Schnupfen eingefangen habe. Mal sehen ob das Spray aus Eimers Apotheke hilft?
Unser Proviant besteht logischerweise aus Produkten der unterschiedlichsten Länder. Säfte aus der Türkei und Holland, Milch aus Lettland, Mineralwasser aus Deutschland, Marmelade aus Malaysia, Soßen aus den USA, Bier aus China, Cola aus Vietnam, Wodka aus Schweden und Russland, Frischware aus dem jeweiligen Hafen, usw.. Wie es die Nachschubversorgung halt so ergibt. Schmunzeln muss ich über einen Aufdruck auf unserem deutschen Honigglas:
„Mischung aus EG-Ländern und Nicht-EG-Ländern“
Hähh???  Was soll mir das jetzt sagen???
Wo kommt der deutsche Honig denn jetzt her???
Am späten Nachmittag dreht der Wind auf Süd und nimmt plötzlich erheblich zu. Seit Wochen wieder einmal richtiger Seegang. Mal sehen, was die Ankerkette so aushält.
Am Abend erfahren wir vom Kapitän, dass es vor der japanischen Küste ein schweres Erd- bzw. Seebeben gegeben hat. 8,9 auf der Richterskala verbunden mit einer meterhohen Tsunamiwelle. Das ist schon ganz schön heftig. Über Zerstörungen in unserem Zielhafen Yokohama ist bisher noch nichts bekannt. Ich melde über Satelliten-Telefon zu Hause Entwarnung, wir sind noch in Korea.

Samstag, 12. März 2011 (65. Tag)  Ulsan (Korea)
Der Hafen wirkt sehr aufgeräumt und sehr sauber. Vor uns machen gerade zwei gewaltige Autotransporter fest. Die Welt braucht Nachschub. Die Firma Hjundai ist hier zu Hause. In weniger als 24 Stunden sind diese Schiffsriesen wieder beladen und auf See. Optisch hat der Fahrzeugbestand am Ufer jedoch kaum abgenommen. In Südkorea herrscht offiziell ja immer noch Kriegszustand mit den eigenen Landsleuten im nördlichen Teil. Die Kameraden am Hafengate tragen sogar Waffen. Hier wirkt alles sehr straff organisiert. Unsere Pässe werden x-mal überprüft und unsere Namen y-mal in irgendwelche Listen eingetragen!? Wenn’s hilft!

Ansonsten ist Ulsan eine nüchterne Industriestadt geprägt von Auto- und Schwerindustrie, Kunstdüngerfabriken und Raffinerien. Früher war Walfang die Haupteinnahmequelle.

Achtung keine Meeresfrüchte - Alles aus Zucker
Das muß alles noch mit...
Als wir aus der Stadt zurück sind, wollen einige von unseren Jungs gerade ins Seemannsheim. Upps? Info war doch, dass es hier keines gibt. Also auf dem Absatz kehrt und rein in den Shuttle-Bus. Vielleicht klappt das dort mit dem Internet besser als heute Vormittag. Seemannsheime liegen meistens unmittelbar im Hafen und heißen eigentlich nicht ‚Club Hollywood oder Club Las Vegas‘!? Als wir ankommen, werden wir bereits draußen von einem Schwarm junger Mädchen empfangen. Na jetzt ist alles klar! Sofort umdrehen? Zurück mit dem Taxi? Als wir hören, dass es hier einen kostenlosen und schnellen Internetzugang geben soll, bleiben wir erst mal, mit viel Skepsis, hier. Ich verkrieche mich in den kleinen Computerraum. Zwei alte PCs, aber schnelles Internet. Was will man mehr. Endlich mal den Blog aktualisieren. Eins der Mädels bietet mir ein Bier an und fragt ob ich ihr nicht einen Drink spendieren möchte. Ich bezahle mein Bier und gebe ihr weitere drei Dollar. Sie meint ihr Drink koste aber zehn. Nö, nicht mit mir! Sie lässt das Geld liegen und ich habe den ganzen Abend meine Ruhe. Rina, ein Ingenieur und ein Kadett sitzen mit ihren Laptops vorn in der Gaststätte. Nach gut einer Stunde ist ihr Akku leer. Sie kommt in den Computerraum: So watt hab ich noch nich erlebt! Was ist los? Ich glaub wir sind hier in einem Puff, oder wie heißt datt auf Deutsch!?  Ich muss laut lachen, das war doch eigentlich klar! Ein Blick aus der Tür bringt die Bestätigung. Live-Kapelle, viele Mädchen und die Jungs amüsieren sich offenbar prächtig. Vorhin trugen die Damen noch alle Jeans und Pullover; jetzt nur noch Miniröcke und knappe Tops. Ein Nachtclub mit Seemannsleben wie aus dem Bilderbuch. Gegen 22:00 Uhr fordern wir bei der Chefin den kostenlosen Shuttle zum Schiff an. Natürlich klappt das nicht sofort. Erst als wir energisch protestieren, kommt der Bus nach rund zehn Minuten und bringt uns rechtzeitig zur nächsten Schicht zurück.
Um Mitternacht müssen die Jungs schon wieder arbeiten. Das Schiff muss einmal gedreht werden, damit der Ladevorgang reibungslos weitergehen kann. - Datt glaubste doch nich! ?

Im Internet bekommen wir zum ersten Mal mit, wie schlimm das Erdbeben in Japan geworden ist. Der Schaden an dem Atomkraftwerk macht uns am meisten Sorgen, weil wir ja genau in die Gegend wollen. Wir fragen uns, können wir unter diesen Bedingungen einfach so nach Japan weiterfahren? Die Bundesregierung spricht mittlerweile entsprechende Warnungen aus. Aber was sollen wir machen? Die Entscheidung liegt nicht bei uns. In Kobe soll ein neuer Kapitän unser Schiff übernehmen. In Yokohama ist im Moment der Hafen gesperrt. Niemand weiß so richtig wie es weitergeht. Geduld!
Blumen zum Abschied

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