Freitag, 6. Mai 2011

18. Houston - Norfolk/Virginia


Mittwoch, 27. April 2011 (111. Tag) Houston (Texas)

Die Revierfahrt nach Houston beginnt in den frühen Morgenstunden. Rund einhundert (!) Kilometer rechts und links nur Industrieanlagen. Raffinerie reiht sich an Raffinerie. Man kann sich das kaum vorstellen. Aber der amerikanische Markt will nun mal mit Energie versorgt werden. Houston ist die größte Stadt in Texas mit einem riesigen Hafen. Hier ist nahezu alles von der Erdölindustrie geprägt. Wir machen im City Port Berth 27/28 fest. Eine Dame vom Seemannsclub holt uns vom Schiff ab. Die Seemannsmission ist sehr schön; die Leute sehr nett. Es gibt gerade frischen Kuchen. Die Dame im Shop erkennt Rina sofort wieder. Rina war vor zwei Jahren schon einmal hier und hatte ihr damals eine Mütze geschenkt. Auf meine Frage wo ich denn einen amerikanischen ‚hard-hat‘ kaufen könne, versichert sie mir, ein Exemplar für mich zu besorgen. -  Ruhe!  -  Endlich in entspannter Umgebung ein langes Skype-Gespräch mit Musie führen.

Donnerstag, 28. April 2011 (112. Tag) Houston (Texas)

Transportprobleme! Im Hafen dürfen wir auch hier nicht zu Fuß laufen. Die Gates sind nur mit den Bussen des Seemanns-Clubs zu erreichen. Die wiederum beginnen ihren offiziellen Dienst erst um 18:00  Uhr, (Schichtende der Seeleute). Einzelne Fahrten dazwischen werden hin und wieder von den Angestellten mit ihren Privatautos erledigt. Um in den Hafen zu gelangen ist eine ‚TWIC-Card‘ erforderlich. Uns stellt man natürlich für 3-4 Tage keine aus. Ein einziges Taxi-Unternehmen aus Pasadena darf uns direkt vom/bis Schiff befördern. Der peruanische Fahrer Eduardo bringt uns dann nach langer Wartezeit auch endlich in die Stadt. Wie wenig interessant ‚Downtown‘ zu sein scheint, erkennt man schon daran, dass der Taxi-Fahrer nicht einmal das Rathaus kennt. Ich laufe eine Weile kreuz und quer durch die Straßen. Nur supermoderne Bürotürme, kaum Menschen und wenig Geschäfte. Mit einem Metro-Bus (Linie 50) fahre ich dann einfach einmal bis zur Endstation; mal sehen was so passiert?

Nahezu eine Stunde durch typisch amerikanische Vororte bis zum William P. Hobby Airport. Ganz schön, aber wirklich nichts Besonderes. Bei Macy’s kaufe ich dann noch ein paar Hosen und T-Shirts. Die Rückfahrt gestaltet sich wieder extrem schwierig. Eduardo ist ‚busy‘ und hat erst in einer Stunde Zeit. Sein Chef sagt mir ein anderes Taxi zu. An der vereinbarten Kreuzung stehen und WARTEN! Der Berufsverkehr setzt ein und mein Taxi kommt und kommt nicht. Meine Nachfrage in der Zentrale ergibt, man habe im Moment keinen Fahrer mit TWIC-Karte. Wann denn etwa? Antwort: Eventuell in 2-3 Stunden oder morgen früh! Ich bin sprachlos. So eine Sch…..! Nochmal bei Eduardo versuchen. Glück gehabt. Er hat gerade eine Tour beendet und bringt mich nach über zwei Stunden Wartezeit endlich zurück zum Schiff. HOUSTON – FORGET IT – Geld allein macht es nicht!

Bei meiner Rückkehr liegt vor meiner Tür eine große Tüte. Oh.. ein ‚hard-hat‘! Thank you Miss Sunshine, you’re the BEST! Jose nimmt für mich ein kleines Dankeschön-Präsent mit zum Seemannsheim. Heute ist dort Pizza-Party. Ich bin total groggy und hab einfach keine Lust mehr nochmal loszuziehen.


Freitag, 29. April 2011 (113. Tag) Houston (Texas)

Jürgen hat mit Eduardo vereinbart uns um 9.00 Uhr abzuholen. Er bringt uns nach Galveston-Island. Endlich mal keine Industrieanlagen und Bürotürme, sondern langer Strand und viele sehr schöne Häuser. Beim letzten Hurrikan (September 2008) stand die Insel meterhoch unter Wasser. Offenbar wurden danach viele Häuser verlassen. Hier ist es wunderschön aber es ist so … ein wenig der Lack ab.


Samstag, 30. April 2011 (114. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

‚Us Koopmann‘ feiert heute Jubiläum. Herzlichen Glückwunsch den ‚Bosselmännern‘  und alles Gute für die Zukunft! - Rina hat heute Geburtstag. Ebenfalls alles Gute und viel Gesundheit für die kommenden Weltreisen.
 

‚Shore leave expired: Noon’. Es lohnt sich also nicht mehr an Land zu gehen. Beim Mittagessen verlängert der Kapitän bis 16:00 Uhr. Da könnten wir ja noch schnell mal zum Seemannsheim fahren und mit zu Hause Kontakt aufnehmen. Aber: Es besteht zwar die Möglichkeit uns sofort abzuholen, nur für die pünktliche Rückfahrt steht kein Auto zur Verfügung! Wir können es kaum glauben: Wer ist hier bloß für die Organisation zuständig. F...U. Ich mache aus der Not eine Tugend und wasche schnell noch zwei Maschinen Wäsche. Auf dem Pilot-Deck ist es extrem schmutzig und die Klamotten entsprechend schnell ebenso. Rußpartikel überall!
Seltenes Glück: WiFi-Verbindung mit Sonnenschutz

Der Hauptmotor läuft schon geraume Zeit und der Wind weht den Ruß genau über unser Sonnendeck. Außerdem haben wir kein warmes Wasser. Es gibt offenbar Probleme mit dem WW-Boiler. Die Ersatzteillieferung lässt wohl auf sich warten. Gegen 22:00 Uhr legen wir ab. Das Fahrwasser ist extrem schmal. Gegenverkehr kann uns an vielen Stellen nicht passieren. Trotzdem fahren wir mit eigener Kraft und ohne ‚TUGs‘ Schlepperhilfe. Der Lotse wird schon wissen was er tut. Mit geringer Geschwindigkeit passieren wir, diesmal im Dunkeln, die gewaltigen Raffinerie-Anlagen. Houston - eine Stadt, die man nicht gesehen haben muss.

Sonntag, 1. Mai 2011 (115. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

Ruhige Fahrt durch den Golf von Mexiko. Hunderte von Bohrinseln stehen hier im Meer. Morgens mit Kaltwasser duschen. Brrrr…. Kalt aber immerhin, man ist sofort hellwach. Was mag denn da bloß im Maschinenraum los sein? Der Kapitän hat gestern nur allgemein von ‚trouble‘ gesprochen.

Die Kufferkerls stellen heute in Heber den Maibaum auf. Viel Spaß bei der Maifeier!
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus… !
Ich vermisse das satte frische Grün. Unseren Garten mit dem blühenden Teich. Das Vogelgezwitscher im Busch und den Wald in Langwedel. Die Wanderungen durch die Heide. Diese himmlische Ruhe. Kommt jetzt das Heimweh? Musie stelle bitte schon mal unsere Wanderschuhe raus. Ronja wartet ja bestimmt auch schon. Auf dem glasklaren Meer und besonders hier in den Tropen ist es zwar wunderschön, tolle Strände, Palmen, tropische Pflanzen, aber eben anders. Da wir meistens in großen Städten an Land gehen, sehne ich mich einfach nur nach Landschaft und Natur. Komisch, wenn ich zu Hause bin, sehne ich mich nach einiger Zeit bestimmt wieder nach fernen Ländern. Mal sehen ob es nach dieser langen Reise anders sein wird. We’ll see…


Montag, 2. Mai 2011 (116. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

K. b. V. - Warmwasser wieder OK, Kurs 117° Richtung Key West (Florida), glasklares Wasser 26°C, Sonnenschein, Windstärke 6 ESE, Schwimmen, Sonnen und Gelegenheit Tagebuch und Crew-Liste zu aktualisieren. Leider begleitet uns heute keinerlei sichtbares Getier.


Dienstag, 3. Mai 2011 (117. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

Wir passieren die lange Reihe der Florida-Keys. Viele kleine Koralleninseln, die durch Brücken miteinander verbunden sind. Am Ende liegt der südlichste Punkt der USA ‚Key West‘. Die ehemalige Heimat von Ernest Hemingway. Schade dass wir diesmal keine Fracht für Florida haben. Irgendwo da draußen auf Backbord liegt auch meine persönliche Trauminsel 'Sunibel-Island'. Musie, schön war’s dort, gell?

Nach dem Mittagessen Roger Willemsens Buch ‚Die Enden der Welt‘ weiterlesen. Interessante Beobachtungen, die er da schildert. Eine Erfahrung meiner Reise um die Welt ist, dass ich die zufriedensten und freundlichsten Menschen dort angetroffen habe, wo die Jagd nach Geld und Erfolg nicht den wichtigsten Lebensinhalt darstellt. Echte Lebensqualität lässt sich nun mal nicht in Dollar und Euro, Nobel-Autos, Armani-Klamotten und sonstigem Schickimicki-Outfit messen. Menschlichkeit hat nichts mit ‚Kohle‘ zu tun. Das Streben nach immer MEHR erzeugt keine Zufriedenheit (eher das Gegenteil). In den Finanzmetropolen hatte ich jedenfalls nie den Eindruck auf zufriedene Leute zu treffen. Nett, freundlich aber sehr oberflächlich und irgendwie immer in rastloser Eile. (fast wie in Deutschland) Auf der Jagd nach… ? Sie wissen es wahrscheinlich selbst nicht.

Andererseits ist die Möglichkeit, dass man einem anderen Menschen, wie auch immer, helfen durfte, ein schönes Gefühl. In vielen Teilen Asiens ist beispielsweise der Schenkende (!) zu Dank verpflichtet, nicht der Beschenkte! Darüber sollte man vielleicht mal nachdenken. Die Lebensfreude der Menschen ist jedenfalls faszinierend, obwohl es ihnen wirtschaftlich  oft nicht so gut geht. Zufriedenheit ist eine Sache der inneren Einstellung. Zufrieden leben zu können bedeutet großes Glück und wirkliche Lebensqualität. Wir können noch viel lernen (immer vorausgesetzt wir wollen auch).
Unsere 'Jungs' - Immer gut drauf!

Am Horizont zieht die Skyline von Miami vorbei. Die Jungs spielen Basketball. Ein wunderschöner Sonnenuntergang beschließt den Tag.

Mittwoch, 4. Mai 2011 (118. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

Wir durchqueren die ‚westliche Ecke‘ des berüchtigten Bermuda-Dreiecks. Keine Seeräuber, keine undefinierbaren Naturgewalten. Nur eine kleine völlig erschöpfte Lerche, die sich offenbar verflogen hat, landet auf dem Achterschiff. ‚Pieps‘ noch einen Tag durchhalten, dann setzen wir dich in Norfolk ab. Man merkt, dass wir weiter nach Norden kommen, das Wasser ist zwar immer noch 25°C warm, aber es wird deutlich kühler. Im Schatten braucht man wieder ein T-Shirt. Ich genieße ein letztes Bad im Swimmingpool und bereite mich auf den Landgang in Norfolk vor. Ich muss unbedingt einkaufen.


Donnerstag, 5. Mai 2011 (119. Tag) Houston (Texas) – Norfolk (Virginia)

Wasser 14°C, Luft 12°C und die Jungs arbeiten ausgerechnet jetzt an der Klimaanlage. Habe selten im Bett so gefroren wie letzte Nacht. Zum Glück funktioniert die Zusatzheizung im Bad und ich kann mich dort ein wenig aufwärmen. Am Horizont tauchen die ersten Kriegsschiffe auf. Norfolk ist der Stützpunkt der amerikanischen Atlantikflotte.
Der Lotse kommt wieder pünktlich. 11:40 Uhr und die Anfahrt nach Norfolk beginnt. Um 13:50 Uhr machen wir am Internationalen Terminal von Norfolk,  Pier 1 fest. Auch hier benötigen die Taxi-Fahrer eine TWIC-Card. Der Fahrer darf uns aber direkt am Schiff abholen. Die Stadt macht einen sehr sauberen Eindruck. Schöne Grünanlagen, gepflegte Häuser. Der Fahrer zeigt uns während der Fahrt nach Downtown stolz sein neues Smart-Phone und fragt (sprachgesteuert) in diversen Geschäften für uns Preise und Liefermöglichkeiten ab.  Als wir im Shopping-Center ankommen wissen wir schon, wo wir zum günstigsten Preis einkaufen können. Technik die (nicht nur ihn) begeistert.

Zurück an Bord trifft mich beim Öffnen meiner Kabinentür fast der Schlag. Meine Bude ist ‚affenheiß‘. Also das mit der Klimaanlage müssen wir wohl noch ein wenig üben.

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